Zuchtgeschichte
Nach morphologischen und genetischen Untersuchungen sind die Pinzgauer Rinder näher mit den Niederungsrassen als mit den Rassen der Westalpen verwandt. Einkreuzungen von Simmentalern sind jedoch historisch belegt. Schon bevor die Pinzgauer Rinder 1846 erstmals als Rasse beschrieben wurden, war „Pinzgauer Fasel“ oder „Pinzgauer Schlag“ als Herkunftsbezeichnung gebräuchlich. Weitere Rinder dieses Typs in der damaligen Zeit, die vermutlich in der Rasse aufgegangen sind, waren Lungauer, Pongauer, Mölltaler, Salzburger Schecken, Brixentaler, Tiroler Rückenschecken, Traunsteiner und Berchtesgadener.
Die eigentlichen Pinzgauer sollen unter den Fürstbischöfen von Salzburg entstanden sein und erhielten die weißen Abzeichen vermutlich in den Jahren 1690 bis 1740. Ihren Namen erhielt diese Rasse nach dem Pinzgau, einer Region im Salzburger Land.
Die Pinzgauer waren in früheren Zeiten klassische Dreinutzungsrinder, wurden also neben Milch und Fleisch auch und vor allem wegen ihrer Zugkraft gehalten. Noch im 19. Jahrhundert zielte die Zucht hauptsächlich auf kräftige Zugtiere, die überall in der Landwirtschaft und auch zum Transport benötigt wurden. Zu ihrer Blütezeit waren Pinzgauer die meistverbreiteten Rinder im gesamten Alpenraum.
Heute werden Pinzgauer Rinder in 25 Staaten auf vier Kontinenten gezüchtet.
Das Stammzuchtgebiet des Pinzgauer Rindes erstreckte sich zur Blütezeit quer über die Alpen, vom Alpenvorland bis zu den Karawanken. Einst waren die Pinzgauer die Hauptrasse in Oberbayern. So zählte man 1893 ca. 85.000 Pinzgauer Rinder in Bayern. Nach der Viehzählung vom 01.12.1900 gab es in Altbayern 101.880 Reinzuchttiere.
Mit dem nachlassenden Bedarf an Zugtieren und der Ausbreitung des Fleckviehs in Oberbayern nach dem 1. Weltkrieg ging der Bestand an Pinzgauern rasch zurück. Ebenfalls großen Einfluss hatte die TBC-Freimachung.
Im Jahr 1935, also zur Zeit der Pflichtmilchkontrolle, da alle Betriebe mit 3 und mehr Kühen der Milchleistungsprüfung angeschlossen sein mussten, wurden in Bayern fast 37.000 Kühe in 6880 Betrieben gezählt.
1960 waren noch über 700 Betriebe mit Pinzgauer Kühen der Milchleistungsprüfung angeschlossen. In den folgenden zwei Jahrzehnten verlief der Rückgang sehr rapide. Der Tiefststand wurde im Jahre 1983 mit 14 Betrieben und 232 leistungsgeprüften Kühen erreicht.
Bei der Rassenzählung vom 03.12.1990 wurden 2.228 Rinder, davon 845 Milchkühe festgestellt. Davon waren 295 Kühe der Milchleistungsprüfung angeschlossen und 286 Kühe im Herdbuch eingetragen waren.
Aktueller Bestand
In Bayern werden Pinzgauer Rinder hauptsächlich im Gebiet um Traunstein und im Berchtesgadener Land gehalten. Auch in den neuen Bundesländern ist eine Pinzgauer-Population aufgebaut worden. In Bayern sind etwa 1.000 Tiere des alten Typs Pinzgauer vorhanden, 311 Kühe sind im Herdbuch des Rinderzuchtverbandes Traunstein erfasst. 6 Herdbuchbullen und Spermavorräte von 25 Bullen stehen für die Zucht zur Verfügung. In der Zuchtarbeit wird großer Wert darauf gelegt, den Bestand reinblütig (Pinzgauer alter Zuchtrichtung) zu halten.
Im Hauptverbreitungsgebiet Österreich wurde in den letzten Jahrzehnten Red-Holstein in die Pinzgauer Population eingekreuzt, um die Milchleistung zu heben. In Bayern handelt es sich überwiegend um original reinrassige Pinzgauer ohne Fremdblutanteil.
Die Milchleistung ist von etwa 2600 kg im Jahr 1933 (Grundfutterleistung) auf über 5000 kg im Jahr 2006 angestiegen. Der Fett- und Eiweißgehalt der Milch sind weitgehend gleich geblieben.
Zuchtziel
Angestrebt wird ein leistungsbetontes, mittel- bis großrahmiges Zweinutzungsrind. Dabei ist die Konsolidierung in Rahmen und in der Bemuskelung besonders wichtig. Zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit ist einer großen Aufnahme von wirtschafteigenem Futter und einer regelmäßigen Fruchtbarkeit sowie der Frohwüchsigkeit und Anpassungsfähigkeit ein besonderes Augenmerk zu schenken. Des Weiteren ist bei der Selektion auf korrekte, trockene Gliedmaßen mit fester Klaue und auf leichtmelkende, gut gesetzte Euter mit fester Aufhängung zu achten.
Milchleistung: Mittlere Laktationsleistung von 5.500 kg mit 4% Fett und 3,5% Eiweiß
Fleischleistung: Bei der Jungbullenmast werden Zunahmen von 1.250 bis 1.300 g angestrebt, mit einem sehr guten Schlachtkörperwert und einer Schlachtausbeute von ca. 58% und einem hohen Fleischanteil. Die hervorragende Fleischqualität mit der besonderen Marmorierung muss erhalten bleiben.
Charakteristisch ist die kastanienbraune Grundfarbe mit breitem weißem Streifen vom Widerrist über Rücken, Hinterseite der Oberschenkel, Bauch bis zur Unterbrust. Der Schwanz ist ebenfalls weiß. Über den Unterschenkel und i.d.R. auch über den Oberarm laufen weiße Binden („Fatschen“). Flotzmaul und Klauen sind dunkel. Statt kastanienbraune kommen auch rußschwarze Tiere mit der gleichen Weißzeichnung vor. Die Pinzgauer sind in der Regel gehörnt, auch wenn es hier die Bestrebungen zu Hornloszucht gibt.
Bedingt durch die zum Teil sehr extremen Bedingungen im ursprünglichen Zuchtgebiet der Pinzgauer wurden bei der Zuchtauslese Kriterien wie z. B. Widerstandsfähigkeit, Futterdankbarkeit, gutes Beinwerk, harte Klauen sowie Anpassungsfähigkeit besonders beachtet. Eine starke Pigmentierung der Augen macht das Pinzgauer Rind unempfindlich gegen UV-Strahlung und Augenkrankheiten
Das Pinzgauer Rind wird als Doppelnutzungsrasse Milch+Fleisch gezüchtet. Hinsichtlich der Fleischqualität haben die Pinzgauer den höchsten intramuskulären Fettgehalt (Marmorierung), eine höhere Rotintensität der Fleischfarbe und die geringsten Lagerungs- und Grillverluste aufzuweisen. Die Muskelfaserfläche (feine Muskelfaser) ist am geringsten und hinsichtlich Zartheit, Saftigkeit und Aroma schneidet die Pinzgauer Rasse im Fleisch am besten ab.
Durch ihren ausgeprägten Mutterinstinkt, den Herdentrieb und ihr ruhiges Temperament wird das Pinzgauer Rind zunehmend in der Mutterkuhhaltung eingesetzt. Die gute Milchleistung, ausgezeichnete Fruchtbarkeit, lange Nutzungsdauer und die rassetypische leichte Abkalbung tragen wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg bei. Besonders interessant für die Mutterkuhhaltung sind die genetisch hornlosen Pinzgauer, auch „Jochberger Hummeln“ genannt. Pinzgauer Milchmastrinder (Babybeef) sind unter Kennern wegen der guten Fleischqualität geschätzt (zarte Marmorierung, feine Fleischfaser).
Maße und Gewichte der Rasse Pinzgauer
Bullen | Kühe | |
Widerristhöhe | 148 – 155 cm | 138 – 142 cm |
Gewicht | ~ 1.000 kg | ~ 700 kg |
Tgl. Zunahme | ~ 1.200 g | ~ 1.000 g |
Geburtsgewicht | 40 – 45 kg | 37 – 42 kg |
Zuchtprogramm
Die Pinzgauerzüchter in Bayern beteiligen sich am gemeinsamen Zuchtprogramm innerhalb der Arbeitsgemeinschaft Pinzgauer Rinderzuchtverbände, dem neben den österreichischen Zuchtverbänden auch der Südtiroler Rinderzuchtverband und der Rinderzuchtverband Traunstein angeschlossen sind. Seit 1996 wird ein Jungstiertestprogramm durchgeführt, in dem der Reinzucht Vorrang eingeräumt wird. Etwa zwei Drittel der Reinzuchtpopulation werden mit Teststieren besamt, die vorab die Eigenleistungsprüfung zu durchlaufen haben.
Staatliche Förderung
In Bayern wird die Erhaltung der Rasse „Pinzgauer alter Zuchtrichtung“ vom Staat durch folgende Maßnahmen gefördert:
- Haltung einer Mutterkuhherde von 40 Kühen mit Nachzucht an der staatlichen Versuchsstation Baumannshof. Um dem weltweiten Trend zur Hornlosigkeit in der Fleischrinderhaltung Rechnung zu tragen, wird im Rahmen eines Zuchtversuches das Hornlosgen in der Pinzgauer Mutterkuhherde verankert. Dies geschieht in einer ersten Stufe durch den Einsatz der „Jochberger Hummeln“, einer speziellen genetisch hornlosen Zuchtvariante der Rasse Pinzgauer.
- In der Staatlichen Genreserve lagern insgesamt 7100 Samenportionen von 22 Bullen aus 15 verschiedenen Bullenlinien.
- Gewährung von Prämien für die Aufzucht von weiblichen Rindern (Jungkuhprämie) mit einem Fremdgenanteil von 25 % und weniger
- 90 Euro für jede Mutterkuh
- 180 Euro für jede Milchkuh in Milchleistungsprüfung
- Gewährung von Prämien für die Haltung von Zuchtbullen zum Decken im Natursprung (Vatertierprämie) in Höhe von 180 Euro pro Jahr. Die Prämie kann einem Betrieb für den gleichen Bullen höchstens zweimal gewährt werden.
Zuständig für die züchterische Betreuung der Pinzgauer alter Zuchtrichtung ist das AELF Traunstein, Sachgebiet Rinderzucht.